Bundesring der Abendgymnasien


Der Zweite Bildungsweg in Deutschland

Geschichte der Abendgymnasien und des Rings der Abendgymnasien

Das Abendgymnasium zwischen Gestern und Übermorgen (Festvortrag anlässlich des 75 jährigen Bestehens der Peter-A.-Silbermann-Schule in Berlin am 31.5. 2002) Verehrte Festgäste, Jubiläen sind unvermeidlich. Man kann sie weder beschleunigen noch verzögern. Aber - man kann sie festlich begehen. So freue ich mich, dass Sie mich eingeladen haben und mir die Möglichkeit geben, Ihnen ein paar Gedanken und Visionen zum Abendgymnasium zwischen Gestern und Übermorgen vorzutragen. Doch zuvor möchte ich im Namen des Bundesringes der Peter-A.-SilbermannSchule in Berlin, dem ältesten Abendgymnasium Deutschlands, ganz herzlich zum 75-jährigen Bestehen gratulieren. Nun erwartet man von einem Festredner in der Regel, dass er mit wohlgesetzten Worten und möglichst rhetorisch brillant die Verdienste des Jubilars hervorhebt. Das ist aber in der Tat nicht so leicht. Denn das Geburtstagskind ist keine Einzelperson, sondern eine Schule, und das erwartete Lob muss aufgeteilt, differenziert und dosiert auf alle diese Institution konstituierenden Elemente ausgeschüttet werden, also auf die Lehrenden, die Studierenden und den Träger. Das bedeutet nun, dass man den Lehrenden dafür Lob zollt, dass sie entweder das Bildungsniveau auf einem bestimmten Level gehalten oder durch innovatives Vorgehen (Projektunterricht, fächerübergreifender Unterricht, Einsatz neuer Technologien usw.) neue Dimensionen des Lehrens und Lehrens eröffnet oder durch ihr intensives menschliches Bemühen um einzelne Studierende besonders zum humanen Klima an der Schute beigetragen haben. Und was ist mit dem Schulträger? Der Schulträger würde sich gerne in dem Gefühl sonnen, wenn er erführe, dass er doch immer alles erdenklich Gute für seine Schule getan oder zumindest gewollt hat. Und die Studierenden? Sie wären glücklich, wenn man ihnen bescheinigte, wie stolz die Schule auf sie ist. Damit erfasse ich allerdings nur die gegenwärtige Situation. Was aber ist mit denen, die Jahrzehnte vorher Pionierarbeit zum Wohle der Schule geleistet haben? Sie sehen also, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie schwierig es ist, dem Jubilar in seiner Vielgestaltigkeit gerecht zu werden. Ein solch differenziertes Lob, wie es sicherlich angebracht wäre, vermag ich hier nur ansatzweise auszusprechen. Aber wie sagt es schon der römische Dichter Properz: "Bei großen Dingen genügt es, auch schon gewollt zu haben.° (in magnis et vofuisse sat est. Elegien III. 1,5f.) So will ich denn zu meinem eigentlichen Thema kommen und versuchen, in einem kleinen Bogen die Idee des Abendgymnasiums von der Gründungszeit über den Ist-Zustand bis hin zu meiner eigenen konkreten Utopie zu verfolgen. Dabei wird Ihnen sicherlich vieles bekannt und vertraut vorkommen. Aber ich denke, es ist legitime Praxis, sich bei einem solchen Anlass auch dessen zu vergewissern, was sich gut bewährt hat. Am 1. September 1927 ist in der deutschen Reichshauptstadt mit Unterstützung des Preußischen Unterrichtsministeriums, des Berliner Magistrats, der Industrie- und Handelskammer und einer Reihe wirtschaftlicher Verbände das Berliner Abendgymnasium eröffnet worden. Angetan von den positiven Eindrücken, die Peter Silbermann auf seiner Amerikareise 1926 von den dortigen evening high schools gewonnen hatte, formuliert er im Vorwort seiner Schrift (Das Abendgymnasium, Leipzig 1928), dass das Abendgymnasium eine Hauptforderung der gegenwärtigen Kultur zu erfüllen imstande sei und die natürlichste und billigste Lösung wichtiger Volksbildungsprobleme darstelle. Er begründet es folgendermaßen: " Dieses Hinaufschrauben der allgemeinen Bildungsansprüche hat seine guten Gründe. Deutschland hat eine ungeheure Schuldenlast abzutragen. Es hat einen unerhört schweren politischen und kulturellen Kampf zu bestehen, will es seine frühere Vormachtstellung in der Welt wiedergewinnen. Um ihn siegreich führen zu können, brauchen wir Höchstleistungen auf allen Gebieten. Nur wenn jeder auf seinem Posten das Höchstmögliche leistet, wir und muss uns der Wiederaufbau gelingen." (Silbermann, S. 9 ) Seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen waren einfach, überzeugend und sind zeitlos gültig- Höhere Bildung (im Sinne von Allgemeinbildung) vermittelt Selbstgefühl und Sicherheit im Auftreten, fördert Welt- und Menschenkenntnis, stärkt Verantwortung und Selbstständigkeit und befähigt zu größeren Leistungen auf allen Gebieten. Ehe ich jedoch mit der Darstellung der historischen Entwicklung der Abendgymnasien fortfahre, scheint mir an dieser Stelle ein kurzer Blick in die ,innere Struktur" des silbermannschen Abendgymnasiums angebracht, weil der Gründervater in vielem sogar unserer Zeit weit voraus war und nur in wenigen Punkten durch die heutige gesellschaftliche Entwicklung überholt wurde. Lassen Sie mich zur Veranschaulichung einige Beispiele anführen: Sicherlich wäre heute die Einführung einer Aufnahmeprüfung, wie Silbermann sie damals forderte, nicht wünschenswert, auch würde sein Diktum einer begrenzten Zulassung des weiblichen Geschlechts in unseren Tagen auf völliges Unverständnis stoßen. Aber seine sinnvolle und notwendige Forderung nach eigenen, erwachsenengemäßen Richtlinien und Prüfungsordnungen ist bis heute in nur wenigen Bundesländern erfüllt. Es ist doch ein Unding, dass etwa im Fache Deutsch ein 18 - jähriger Abiturient mit denselben Themen konfrontiert wird wie ein 30 - jähriger berufstätiger und lebenserfahrener Absolvent eines Abendgymnasiums. Die Devise kann nur lauten: Gleichwertigkeit des Abschlusses und nicht Gleichartigkeit. Ungemein progressiv - auf Länderebene allerdings höchst unterschiedlich gehandhabt - stellt sich Silbermanns Forderung nach einer Kurs - statt einer Klassenversetzung dar. "Die Klassenversetzung bedeutet eine Verschwendung von Zeit und Geld. Außerdem ist sie eine Ungerechtigkeit. Denn wenn ein Schüler in zwei Fächern keine genügenden Leistungen aufzuweisen hat, weshalb soll er dann gezwungen werden, auch in sämtlichen anderen Fächern das Jahrespensum zu wiederholen. Das kann ihm doch nur den Unterricht verleiden." (Silbermann, S. 27) So hat zumindest das Land NRW diesen Gedanken Silbermanns aufgegriffen und konsequent weiterverfolgt. Denn hier sind alle Schulabschlüsse im ZBW unterhalb des Abiturs im "Baukastensystem" zu erwerben. Doch zurück zur geschichtlichen Entwicklung- Dass der Gedanke des Abendgymnasiums ein außerordentliches Echo hatte, zeigen die Gründungen mehrerer gleichartiger Einrichtungen bis Ende 1928 in Duisburg - Hamborn, Essen, Hannover, Kassel, Osnabrück, Köln, Gelsenkirchen und Halle. Eine erste Interessengemeinschaft der deutschen Abendgymnasien unter Vorsitz von Dr. Kellermann (AG Kassel) wurde ins Leben gerufen - der Vorläufer des 1964 gegründeten Bundesringes. Andauernder Erfolg war diesen Schulen im sich durchsetzenden Nationalsozialismus allerdings nicht beschieden. Ostern 1934 wurde das Kölner Abendgymnasium als letztes mit der Begründung, eine sozialistisch - jüdische Einrichtung zu sein, geschlossen. Silbermann selbst musste 1933 emigrieren. Das von ihm gegründete Abendgymnasium überstand die Nazizeit und führte während des Zweiten Weltkrieges Versehrten - Umschulungen durch. Die verheerende Situation in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkriegs - qualifizierte Arbeitskräfte fehlten, heimkehrende Soldaten konnten ihre einstigen Berufe nicht mehr ausüben - führte zu einer schnellen Wiedereröffnung der Vorkriegs - Abendgymnasien, so z. B. Hamburg 1945. Wenn ich im Folgenden den Focus besonders auf die Entwicklung der Abendgymnasien in NRW richte, so liegt das vor allem daran, dass hier die "Idee des Abendgymnasiums" besonders auflebte, weil die Voraussetzungen im größten Industriegebiet der Bundesrepublik entsprechend günstig waren. Der ersten Gründung 1946 in Dortmund folgten 1947 Düsseldorf, 1948 Wuppertal und Gelsenkirchen und 1949 Köln. Ihren Gründern ging es vor allem darum, die bestehenden Höheren Schulen nicht zu imitieren, sondern einen Schultyp eigener Prägung zu schaffen. 1951 einigte man sich auf der denkwürdigen Fredeburger Tagung auf einen verbindlichen Kanon von sechs Fächern-. Deutsch, Mathematik, Englisch, Latein, Geschichte/ Gesellschaftskunde, Physik (später um Religion erweitert). Dieser Fächerkanon wurde die Grundlage der ersten KMK-Vereinbarung über Abendgymnasien aus dem Jahre 1957. Das Prinzip des Exemplarischen (in Anlehnung an Wagenschein) spielte eine wesentliche Rolle und zwar "sowohl im Hinblick auf die Vermittlung der Studierfähigkeit als auch im Sinne einer wohlverstandenen Allgemeinbildung" (Graebe, S. 90). Dass man an den Abendgymnasien mit nur sechs Fächern in drei bis vier Jahren bei nur 20 Wochenstunden sein Abitur machen konnte, bedeutete nicht mehr und nicht weniger als die Anerkennung der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung, ein Postulat der heutigen Bildungspolitik, das die Abendgymnasien schon vor 50 Jahren erfüllten. Im Zuge der "Individualisierung des Studiengangs" wurde mit Beschluss vom 8. Oktober 1970 von der Kultusministerkonferenz die Einführung der Wahlpflichtfächer ermöglicht. Fächer wie Philosophie, Soziologie und Volkswirtschaft aber auch Biologie und Chemie sollten dem Erwachsenenstatus der Studierenden entgegenkommen und auf ihre Lebensreife in besonderem Maße abgestimmt sein. Die Einführung der Wahlpflichtfächer darf als Vorwegnahme eines Teils der reformierten Oberstufe angesehen werden. Es sollte bis Mitte der achtziger Jahre dauern, bis die Abendgymnasien in allen Bundesländern die Vereinbarung über die Neugestaltung der Abendgymnasien vom 21. Juni 1979 umsetzten. Eine in diesem Ausmaß nicht vorhergesehene Expansion der Erwachsenenbildung setzte ab etwa 1970 ein. Sie führte zu vielen Neugründungen von Abendgymnasien bundesweit. NRW kreierte im Sinne eines flächendeckenden Bildungsangebots das Prinzip der Außenstellen. Jeder bildungswillige Bürger sollte in unmittelbarer Umgebung seines Wohn- bzw. Arbeitsortes ein schulabschlussbezogenes Weiterbildungsangebot vorfinden. 1989 existierten in NRW neben den 21 "Mutterschulen" 19 Außenstellen. Eine weitere Neuerung trat im Zuge der besonderen Zielgruppenorientierung ein. Immer mehr Frauen äußerten den Wunsch, das Abendgymnasium zu besuchen (1970 25,1% ;1979 46,4 %), fühlten sich aber durch den Unterricht in den Abendstunden, soweit sie Familienfrauen, Alleinerziehende usw. waren, ausgegrenzt. Zu diesem Kreis müssen auch Personen mit atypischen Arbeitszeiten, Schichtarbeiter hinzugerechnet werden. Viele Abendgymnasien reagierten darauf flexibel mit Unterrichtsangeboten am Vormittag. Ich darf aus eigener Erfahrung hinzufügen, dass es sich bei dieser "Klientel" um eine ungemein zuverlässige und leistungsstarke Gruppe handelt. Abendgymnasien sind seit dieser Zeit in vielen Bundesländern Angebotsschulen "rund um die Uhr". Ferner versuchten viele Abendgymnasien - ich nenne da besonders Berlin und Hessen - , in besonderer Weise der Heterogenität ihrer Studierenden inhaltlich und methodisch gerecht zu werden. Ich erwähne die Einführung von Deutsch als Fremdsprache (D a F) bzw. Deutsch als Zweitsprache, wie man heute sagt, Vermittlung von Lerntechniken usw. Auch erste Bemühungen "interkulturellen Lernens" werden sichtbar. Es lässt sich Folgendes feststellen: Jahrzehnte hatten die Abendgymnasien eine relativ eindeutig umrissene Zielgruppe mit einheitlicher Zielvorstellung zum Abitur geführt. Die Blickrichtung war mehr "von oben", vom Bildungsziel ausgehend geprägt. Tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen jedoch brachten notwendigerweise einen Perspektivenwechsel mit sich. Der Mensch in seiner Suche nach neuen Lebenswegen und Gestaltungsmöglichkeiten trat in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die Abendgymnasien wurden mehr zum Ort gesellschaftlicher Integration. Mit diesem Blick "von unten" kamen neue, andere Aufgaben und Herausforderungen auf die Lehrenden zu, eine Sichtweise, die bis in die Jetztzeit greift. Anfang der 90er Jahre trat eine Phase der Ernüchterung an den Abendgymnasien ein. Werner Spies ( a.a.O.,S., 25) nennt vor allem drei Gründe: 1. rückläufige Studierendenzahlen, weil jetzt geburtenschwache Jahrgänge für den ZBW anstanden (d.h. viele Schulen hatten mit großen "Überhängen" in der Lehrerschaft zu kämpfen), 2. die Einsicht vieler potentieller Bewerber, dass der "Marktwert" des Abiturs gesunken sei. Die Bildungsexpansion schien zu einer Sättigung des Bedarfs geführt zu haben und 3. den Prestigeverlust des ZBW auf politischer Ebene: im Zuge allgemeiner Ressourcenknappheit sank der Stellenwert der Bildungspolitik insgesamt. Die Reaktionen vor Ort schwankten zwischen Resignation und Aufbäumen. Man setzte einerseits auf Kooperation zur Vermeidung von Doppelangeboten zwischen allen an der Weiterbildung beteiligten Institutionen (Abendrealschule, Abendgymnasium, Kolleg, Volkshochschule), was sich organisatorisch oft als schwierig darstellte, förderte andererseits die "Bündelschule", in der alle Schulformen ,unter einem Dach" angesiedelt waren. Mit all diesen Maßnahmen waren Hoffnungen auf Spareffekte verbunden. Mittlerweile haben sich die Zahlen bundesweit wieder stabilisiert. Lassen sie mich der Vollständigkeit halber sagen, dass seit dem Jahre 2001 alle Schulformen des ZBW in NRW unter dem Oberbegriff "Weiterbildungskollegs" geführt werden, und NRW ab dem 1.8.2002 als erstes Bundesland das Projekt "Abitur online" startet, ein auf österreichischen Erfahrungen basierendes Lernen in Präsenz- und Distanzphasen. Wie sieht es mit dem Stellenwert der Abendgymnasien in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit aus? Ich will nicht zynisch antworten, aber die Ergebnisse der kürzlich erschienenen PISA-Studie würden die Notwendigkeit unserer Institution nachhaltig unterstreichen und deren Fortbestand zumindest für die nächste Zukunft sichern. Nein im Gegenteil, ich möchte an dieser Stelle rückwirkend die Leistung der Abendgymnasien hervorheben und ihre Bereitschaft, auch in Zukunft ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung nachzukommen, unterstreichen. Die Abendgymnasien haben sich seit ihrer Gründung immer mit viel Engagement, enormer Flexibilität, großer Kreativität und hoher Professionalität der "Bildungsbenachteiligten" angenommen. Sie haben sich in ihrem Bemühen immer an der gesellschaftlichen Wirklichkeit orientiert und daraus Konsequenzen für ihr fachliches und menschliches Bemühen gezogen. Sie sind in vielen Dingen richtungsweisend für andere Bildungseinrichtungen gewesen oder haben eine Vorreiterrolle übernommen. Abendgymnasien sind Unternehmen, die das beste Produkt - nämlich Bildung - in ihrem Angebot haben. Sie verfügen über eine ausgezeichnete "corporate identity" (Schulprogramm) und achten ständig darauf (Evaluation), dass ihr Produkt auch "marktgerecht" und niveauvoll ist (Qualitätssicherung). Das Abendgymnasium ist daher kein Auslaufmodell, es ist und bleibt, wie Silbermann es schon 1927 ausdrückte, eine "unabweisbare Kulturnotwendigkeit". Lassen Sie mich zum Schluss meiner Ausführungen Ihnen meine ganz persönlichen Visionen, Träume, Utopien vortragen dürfen, auch wenn John Franklin, der langsame Held in Sten Nadolnys Roman "Die Entdeckung der Langsamkeit", ein eher nüchternes Beharren denn euphorische Veränderung als Prinzip im Bildungswesen feststellt. Franklin vorgesehen als königlicher Beauftragter für Erziehung (so eine Art Kultusminister) fragt nach seinen Aufgaben, aber auch nach seinen Möglichkeiten. Skeptisch stellt er dem Premierminister, in dessen Haus Downing Street Nr. 10 er zu einem Gespräch eingeladen war, die Frage: "Viel durchsetzen soll ich wohl nicht?" "Wir haben uns vollkommen verstanden", antwortete der Premier. "Es geht darum, mit großer Würde auf der Stelle zu treten. Plötzliche Änderungen gerade auf diesem Gebiet würden viele Gefahren heraufbeschwören - aber wem sage ich das!" "Sie brauchen jemanden, der für alles zuständig ist, aber nicht viel tut", überlegte John. Aber das war ja 1845..... (Nadolny, S.337-340). Heute würde man das wohl "masterly inactivity" nennen. Meine Damen und Herren, stimmt der Ausspruch "Nur wer sich ändert, bleibt sich treu." oder anders ausgedrückt "Ist das Optimum von Heute das Defizit von Morgen?" Ich möchte mit Ihnen träumen, träumen wie es John Lennon in seinem Lied (Imagine) "I'm a dreamer, but I'm not the only one" oder Martin Luther King in seiner berühmten Rede "l've a dream ..." getan haben. Denn Träume wagen heißt Zukunft gestalten. Ich träume davon, dass Politiker den ZBW nie mehr in seiner Existenz in Frage stellen, denn wer Bildung nur nach seiner Wirtschaftlichkeit misst, versündigt sich am Menschen, ich träume davon, dass Schulleitungen sich nie mehr für geringe Studierendenzahlen rechtfertigen müssen, ich träume davon, dass der Wert eines Abendgymnasiums nicht nur von einer hohen Quote von Abiturienten und einer niedrigen Abbrecherquote abhängt, ich träume davon, dass Schulverwaltungen Innovationen offen gegenüberstehen gemäß dem Bibelwort "Prüfet alles, aber das Gute behaltet." Ich träume davon - nicht zuletzt nach dem 11. September 2001 und den Ereignissen in Erfurt - , dass Abendgymnasien neben der Vermittlung fachlicher Qualifikationen zunehmend durch ihre Studierenden dazu beitragen, Verständigung unter den Völkern herzustellen, Toleranz für den Anderen zu zeigen, Ideologien als solche zu entlarven und Vorurteile abzubauen und Verantwortung für die Welt zu übernehmen. Nur wer Andersaussehende, Andersdenkende und Andersredende ernst nimmt, trägt zum Frieden in der Welt bei. Der 1999 gestorbene brasilianische Bischof Don Helder Camara, der von und für seine Visionen eines sozial gerechten Lateinamerikas lebte, hat einmal gesagt: "Wenn einer alleine träumt, ist es nur ein Traum, wenn viele miteinander träumen, wird der Traum einst Wirklichkeit, wird er Wirklichkeit!" Meine sehr verehrten Damen und Herren, träumen Sie mit mir! Ich danke Ihnen. Benutzte Literatur: Graebe, Horst. (1985): Das Abendgymnasium. In: Kühnhold, Gerhard (Hrsg.): Der nachgeholte Schulabschluß. Beiträge zur Situation des Zweiten Bildungsweges. Veröffentlichung der Gesamhochschule Kassel - Universität des Landes Hessen - Referat Schulpraktische Studien. Bad Honnef, Bock & Herchen, S. 89 - 102 Nadolny, Sten. (1990): Die Entdeckung der Langsamkeit, München, Piper Silbermann, Peter. (1928): Das Abendgymnasium, Leipzig Spies, Werner. (1994):Perspektiven des Zweiten Bildungsweg, Wege der Weiterbildung, Heft 819; S. 24-27