Fortbildungsveranstaltung
Erkundung mittelständischer Unternehmen der Region


Unsere Erkundungsfahrt führte uns in diesem Jahr entlang der Müglitz in die Stadt Glashütte. Fast jeder in der DDR aufgewachsene Bürger kennt diesen Ort nur in Verbindung mit der Uhrenherstellung.


Im Dezember 1845 schlägt die Geburtsstunde der Uhrenindustrie in Glashütte. Ferdinand Adolph Lange und sein Mitarbeiter Adolf Schneider beginnen mit der Ausbildung von 15 Lehrlingen. Nach dreijähriger Lehre machen diese sich selbstständig und beliefern ihren nun ehemaligen Lehrmeister mit selbst hergestellten Uhrenteilen. Kurze Zeit später setzt ein wahrer Gründungsboom an Uhrenmanufakturen ein. Namen wie Julius Assmann, Carl Moritz Großmann und Adolf Schneider sind nur einige der in den folgenden Jahren entstehenden Uhrenmanufakturen in Glashütte.

Auch damals herrschte bereits akuter Fachkräftemangel. Die alten Handwerker wussten, dass ihre Kunst nur überleben kann, wenn sie sich selbst um ihren Nachwuchs kümmern. Und so wurde 1878 die Deutsche Uhrmacherschule Glashütte gegründet. Heute befindet sich in diesem Gebäude das Deutsche Uhrenmuseum.

Die Wirren der Zeit und politische Umbrüche gingen auch am Uhrenstädtchen Glashütte nicht spurlos vorüber. Wirtschaftskrisen und Kriege, Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und auch verpasste Reaktionen auf Marktveränderungen sorgten für ein Auf und Ab von Firmen, für Fusionen, für Übernahmen und Pleiten. Mit dem Übergang zur sozialen Marktwirtschaft kam es zu Neugründungen einiger Firmen mit bekannten Namen. Hintergrund ist die im Einigungsvertrag zwischen DDR und BRD getroffene Festlegung, dass vor Gründung der DDR erfolgte Enteignungen nicht rückgängig gemacht werden. Und so produzieren heute allein in Glashütte 10 Uhrenmanufakturen ihre handwerklichen Kunstwerke unter teils bekannten traditionellen Namen. Eines fällt jedoch beim Gang durch die Unternehmen auf: Der Altersdurchnitt der Beschäftigten scheint recht niedrig zu sein. Viele junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Das hängt sicher auch, aber nicht nur, mit der Neugründung vieler Unternehmen nach der Wende zusammen. Neue Möglichkeiten bei der Ausstattung mit Werkzeugen und Materialien und ein selbstbewussteres Auftreten auf dem Weltmarkt kennzeichnen die aktuelle Situation vieler Manufakturen. Die hervorragende Qualität der Erzeugnisse und bei einigen Firmen auch die Nutzung vorhandener Vertriebswege größerer Unternehmensgruppen  ermöglichen langfristig gefüllte Auftragsbücher.



Damit wir in den teilweise engen Gebäuden möglichst viel sehen konnten, teilten wir und in zwei Gruppen. Eine Gruppe begann ihre Erkundung im Uhrenmuseum, die andere in der Uhrenmanufaktur "Glashütte Original". Nach dem gemeinsamen Mittagessen und dem Besuch der Lehrlingsausbildung wurde getauscht.


Die Uhrenbauer können nicht nur gute Uhren herstellen, sondern kennen auch einen hervorragenden Konditor. Eine gelungene Begrüßung!

Blickfang im Foyer des Uhrenmuseums  ist die komplizierte astronomische Kunstuhr von Hermann Goertz (1862-1944). Mehr als 30 Jahre baut Goertz an seinem Meisterwerk, bevor er es 1925 in Glashütte vollendet. Die Uhr besteht aus insgesamt 1.756 Uhrwerks- und Zifferblattteilen und ist exakt vorprogrammiert bis ins Jahr 2899.
 
Egal ob feinfühlige Frauen- oder kräftige Männerhände: Die kleinen Teile sind trotz Pinzette und Lupe eine Herausforderung. Keine Chance für Grobmotoriker. Hier kann man selbst testen, welche Fertigkeiten ein angehender Uhrmacher benötigt - und das über viele Jahrzehnte seines Berufslebens! Ob die Fingerfertigkeiten bei der Bedienung eines Smartphones als geeignete Übung dafür interpretiert werden könnten, wollte uns niemand sagen.


Auch für's Militär wurde produziert. Pilotenuhren oder Zeitzünder - auch das ist Glashütter Uhrentechnik
 

Andere haben begehbare Kleiderschränke. Hier sind alle Glashütter Uhrenmodelle aus DDR-Zeiten zu sehen.
 
Nach dem Museumsbesuch trafen sich beide Gruppen in der wohl einzigen Gaststätte in Glashütte, die auch einen passablen Mittagstisch für 24 Personen bieten kann. Das Essen war schon während der Anfahrt nach Glashütte bestellt worden. Da es frisch zubereitet wurde, hatten wir schon etwas Zeit, die ersten Eindrücke auszutauschen.

Nach dem Essen ging es in die Lehrlingsausbildung. Hier erfuhren und sahen wir, wie aus ehemaligen Realschülern, Gymnasiasten und Seiteneinsteigern Feinmechaniker und Uhrmacher geformt werden. Vieles ist Begabung und Brennen für den Beruf, aber die fachlichen Grundlagen, Fähigkeiten und Fertigkeiten müssen den Erwartungen der Unternehmen angepasst werden. Sowohl von den Ausbildern als auch von manchem Azubi hörten wir, was uns schon seit Jahren klar ist: Die theoretischen und praktischen Fähigkeiten der angehenden Facharbeiter, die sie aus ihrer Schulzeit mitbringen,  sind bei weitem nicht ausreichend. Das liegt nicht nur an den Schülern. Gerade im naturwissenschaftlichen und praktischen Bereich ist beim "Entschlacken" der Lehrpläne wohl etwas zu viel des Guten getan worden. Und die Tendenz geht dahin, dass die Ausbildungsbetriebe immer mehr Energie dafür verwenden müssen, die früher üblichen Grundlagen auszubilden. Grundlegende Dinge wie Rechnen oder das Herleiten von einfachen Zusammenhängen sind immer seltener im erforderlichen Maße vorhanden.

Erste Arbeiten eines Lehrlings bestehen im Herstellen und Zusammenbau eines für Glashütter Verhältnisse großen Uhrwerkes.
 

Präzision beim Arbeiten sind ebenso wie Geduld und technisches Verständnis eine Grundvoraussetzung für diesen Beruf.
 

Eine technologische Reihe. Ganz schön viel Abfall!

Natürlich sind die Uhren in den Räumen aus eigener Herstellung.
 

Helle Arbeitsplätze sind unverzichtbar.
 

Fingerlinge sorgen dafür, dass keine Abdrücke auf der Metalloberfläche entstehen. Auch kleinste Kratzer auf den Oberflächen dürfen nicht vorkommen.  Für Produkte dieser Art wäre beides ein k.o.-Kriterium.
 

Der letzte Abschnitt unserer Erkundungstour führte uns in die gläserne Produktion. Fotografieren war leider nicht erlaubt. Wir erfuhren viel über die eingesetzten Fertigungsverfahren und die Anforderungen an den hier tätigen Uhrmacher, Feinmechaniker oder Werkzeugmacher. Da die hergestellten Teile mitunter nicht größer als ein Salzkristall sind, gelten natürlich besondere Arbeitsbedingungen. Bei zulässigen Toleranzen im Mikrometerbereich sind vollklimatisierte Reinräume unverzichtbar. Extrem ruhige Hände und eine weitgehend flexible Gestaltung der Arbeitsabläufe sind Normalität. Immerhin kann es je nach Uhr schon mal ein paar Wochen oder sogar Monate dauern, bis sie fertig montiert ist.

Nachwuchssorgen haben die Glasshütter Uhrmacher nicht. Noch gibt es mehr geeignete Bewerber als freie Lehrstellen. Eine Situation, die nicht in vielen mittelständischen Bereichen zu finden ist. Was den Ausbildern allerdings immer deutlicher auffällt: die Vorkenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Berufsanfänger müssen immer häufiger erst den Anforderungen entsprechend "aufbereitet" werden. Nur diejenigen, die sich schon in ihrer Freizeit mit feinmechanischen Arbeiten und den für den angestrebten Beruf erforderlichen theoretischen Grundlagen vertraut gemacht haben, werden die Lehre gut beenden können. Bei einem guten Endergebnis in den Prüfungen (mind. Note 2,0) gibt es seitens der ausbildenden Unternehmen eine Übernahmegaranitie. Das spornt an.


Hiermit möchten wir uns beim "Reiseunternehmen Holitours" recht herzlich für die wirklich gelungene Exkursion bedanken.

 

Wie gewohnt auch hier die Links zu den Internetseiten der besuchten Unternehmen:


Ein Wort an die Interessenten im kommenden Schuljahr. Unsere nächste Erkundung wird im April 2018 stattfinden. Wer tolle Anregungen oder gute Erfahrungen mit Firmen der Region gemacht hat, sollte es nicht für sich behalten. Ursula Holfeld ist sowohl per Mail als auch über das Schulportal erreichbar. Wir sind für jeden Hinweis dankbar.

 

Text und Fotos: A. Garten
Datum der letzten Änderung: 10.04.2017