Ganztägige Fortbildungsveranstaltung am 29. April 2010


Erkundung von Mittelstandsbetrieben und außerschulischen Lernorten zur praxisbezogenen Umsetzung der WTH/S- und Vertiefungslehrpläne in den Klassen 7-10


Schon zur Tradition hat sich die jährliche Erkundungsfahrt in mittelständische Betriebe unserer Region entwickelt. Nach einer etwas abenteuerlichen Busfahrt (wenn das Getriebe nicht so schalten will wie es der Fahrer befiehlt, geht's eben etwas langsamer vorwärts...) kamen wir an unserem ersten Ziel an. Diesmal stand ein Betrieb der Lebensmittelbranche auf dem Plan: die "Dr. Quendt KG" in Dresden. Bekannteste Produkte sind der echte Dresdner Christstollen oder das Russisch Brot.


Die Autobahnfahrt wird sinnvoll genutzt.


Ein Querschnitt der Produktionspalette. Viel blieb nicht übrig...

Nach einem kurzen, sehr informativen Film über die Geschichte und die Firmenphilosophie gab's noch ein paar persönliche Informationen über den Betrieb und seine Produkte. So erfuhren wir beispielsweise, dass es das Russisch Brot schon seit über 170 Jahren gibt. Seine Herstellung hat sich in dieser langen Zeit nicht wesentlich verändert:
Formgebung durch Urformen: Im Grunde entstehen die Buchstaben des Gebäcks nach gleichem Prinzip wie beim Tintenstrahldrucker. Eine genau festgelegte Menge Teigmasse wird durch eine Vielzahl von eng beieinander liegenden Düsen auf ein Blech gespritzt. Die Masse verläuft ineinander, bildet eine später glänzende Haut und wird gebacken. Was kaum einer wusste: Den Buchstaben W gibt es bei diesem Gebäck nicht - er wäre zu groß und damit zu zerbrechlich.

Die Produktion der Domino-Steine musste leider vor kurzem eingestellt werden. Auch hier war wieder deutlich ein Mechanismus des Marktes zu erkennen: Angebot und Nachfrage sind zwar einige Komponenten der Preisbildung eines Erzeugnisses, aber wenn die Unternehmensziele eine hohe Qualität der eingesetzten natürlichen Rohstoffe und den Verzicht auf Konservierungsstoffe und künstliche Aromen fordern, kann der Verkaufspreis nicht unendlich reduziert werden. Oder anders ausgedrückt: Qualität hat ihren Preis. 

Und noch eine Sache war für viele Teilnehmer unserer Fortbildung neu: "Produktionsabfall" schmeckt! Kaum jemand wusste, dass die Rohmasse der Dinkelchen auch den Bruch des Russisch Brot enthält, der während des Transportes über die Fließbänder entstanden ist. 


Auch schon Tradition: Das Verkleidungsspiel
Auch bei den Dinkelchen werden technologische Verfahren angewandt, die schon aus anderen Bereichen (z.B. Teigwaren) bekannt sind: Die beiden Buchstaben (A und B) entstehen durch Extrudieren einer zähflüssigen Masse durch eine entsprechend geformte Düse. Im Moment des Austritts aus der Düse haben die Buchstaben eine Höhe von ca. 5mm. Kaum an der Luft können sie sich frei entfalten und blähen sich auf etwa die dreifache Höhe auf. Ein schnell rotierendes Messer schneidet den Strang ab und der Buchstabe fällt auf ein Band. Jetzt noch trocknen und mit Schokolade überziehen. 
Bisher dachten viele, dieser Überzug entsteht durch einen Tauchvorgang. Um so erstaunter waren wir, dass die Schokolade in einem rotierenden Mischer aufgesprüht wird. Wie intensiv der Sprühnebel eingestellt wird, wie viel kalte Luft zur Kühlung in den Mischer geblasen wird und wie lange der Beschichtungsvorgang dauert: für all diese Dinge ist einzig uns allein die Erfahrung des dort Arbeitenden entscheidend. Das kann keine Maschine übernehmen. Auch damit hatten wir nicht gerechnet.

Die Außenanlagen sind ungewöhnlich gestaltet. Wenn die gepflanzten Hölzer ihre Blätter austreiben, wird es viel Grün geben...

Was wäre ein Besuch bei Dr. Quendt ohne die abschließende Erkundungstour durch den Werksverkauf? Glücklicherweise verfügte der Bus über genügend Stauraum. Man achte auf den Blick des Busfahrers (links)
Weitere interessante Fakten rund um das Unternehmen:
  • 70-80 Mitarbeiter zählen zur Stammbelegschaft, während der Saison verdoppelt sich diese Zahl.

  • Die Dr. Quendt KG bildet aus: Lebensmitteltechniker

  • Die während der Produktion anfallende Abwärme soll in Kürze nicht mehr ungenutzt an die Umgebung abgegeben, sondern zur Wärmeversorgung der "Dr. Quendt Genießerwelt" genutzt werden, die bis 2016 auf dem Werksgelände entstehen soll.

  • Auszug aus der Firmenphilosophie:

    • Für entstandene Fehler gibt es keine Schuldigen! ...
        Fehler der Mitarbeiter sind Führungsfehler
        Erfolge der Mitarbeiter sind Erfolge der Mitarbeiter

    • Bei Entscheidungen und Info's, die wir nicht verstehen, haben wir die Pflicht "Warum?" zu fragen!

 

Während wir im Unternehmen unterwegs waren, hat der Busfahrer die Zeit genutzt und ein intensives Gespräch mit dem aufmüpfigen Getriebe geführt. Die Fronten waren also geklärt und der Bus brachte uns ohne weitere Warnsignale im Cokpit durch verwinkelte Gassen zum Gasthof Coschütz.

Auf unser Mittagessen brauchten wir nicht lange warten. Dank des Bilderbuchwetters und Temperaturen um 22 °C platzierten wir uns außerhalb des Gastraumes, wodurch uns die liebevoll gedeckten Tische, die eigens für uns vorbereitet waren, entgingen. Das Personal ließ sich aber nichts anmerken. 

Dann ging es quer durch die Dresdner Innenstadt zum zweiten Ziel unserer Fortbildung in das Ausweichquartier des Sächsischen Staatsarchivs. 



Der unscheinbare Eingangsbereich des Archivs

In diesen Bänden steht u.a., was der Nutzer wo finden kann
Bereits am Eingang prallten die Vorstellungen über ein Archiv und das Gesehene aufeinander. Wenn man den Geruch alter Holzregale, knarrende Fußböden, angestaubte und fast zerfallene Bücher oder Ärmelschoner tragende Archivare mit Lesebrille erwartete, so wurde dieses glücklicherweise nur teilweise bestätigt. Noch ist das neue Gebäude nicht fertig gestellt und so müssen die Gemäuer der ehemaligen Landesbibliothek als Ausweichquartier für viele historische Schätze dienen.

Was ist ein Archiv? Warum wird etwas archiviert? Wer archiviert was? Das alles und noch mehr zum "Lernort Archiv" erfuhren wir von Dr. Peter Wiegand (Referatsleiter Älteres und neueres Archivgut MO-Sachsen) und Archivpädagogin Jana Noltemeier. 
Während Dr. Wiegand mit einer Gruppe im Lesesaal das Archiv und den Findbücher-Bereich vorstellte, machte Frau Noltemeier die zweite Gruppe mit Möglichkeiten vertraut, mit Schülern im Archiv zu arbeiten. Und damit wir schon mal einen kleinen Vorgeschmack bekommen sollten, lagen eine Vielzahl alter Dokumente auf den Tischen. Besonders eindrucksvoll für uns waren die Zeichnung einer Dampfmaschine und die Urkunde aus dem Jahre 1165, mit der Kaiser Friedrich I. Barbarossa dem Bistum Meißen das Dorf Prezez im Gau Milzana (Prischwitz) schenkt. Allein die Größe des Siegels imponiert schon...

Eine weiteres Angebot besteht darin, dass sie mit entsprechenden Materialien an die Schule kommt und dort Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 3-5 altersgerecht an das Thema "Arbeit mit Archivgut" heranführt. Dabei wird nicht nur der Fachbereich Geschichte angesprochen. Auch technische oder künstlerische Aufgaben können bearbeitet werden.

Momentan stehen für den Bereich Mittelschulen folgende Angebote zur Verfügung, die auf der entsprechenden Themenseite auf dem Sächsischen Bildungsserver (Fachbereiche, Zielgruppe, Inhalte, Zeitumfang, Organisatorisches usw.) ausführlich erläutert sind.:

  • Archiv vor Ort
    Eine Entdeckungsreise mit Archibald in die unbekannte Welt des Archivs

  • Geschichte sinnlich erleben - Archivgut zum Anfassen

  • Entdeckendes Lernen im Archiv

  • Beratung bei der Erstellung von komplexen Leistungen, Facharbeiten und Geschichtswettbewerben

  • Workshop historisch-wissenschaftliches Arbeiten

  • Gestaltung von Fachkonferenzen und Fortbildungen an Pädagogischen Tagen:
    "Geschichte unterrichten am außerschulischen Standort Archiv"


Während der Vorstellung von Lernabschnitten, die im Archiv durchgeführt werden könnten

Ein Blick voller Ehrfurcht auf die historische Urkunde Kaiser Friedrich I. Barbarossa
Leider saß uns auch hier die Zeit im Nacken. So blieb es bei einem allgemeinen Überblick über die Möglichkeiten, die das Archiv bietet. Was man daraus macht, bleibt jedem selbst überlassen.

So ging wieder ein äußerst lehrreicher Fortbildungstag seinem Ende entgegen. Ein großer Dank geht wie immer an unsere Fachberaterin U. Holfeld, die alle möglichen und sicher auch den einen oder anderen unmöglich erscheinenden Hebel in Bewegung gesetzt hat, um diese Betriebserkundung auf gewohnt hohem Niveau durchführen zu können.

Fazit: eine lehrreiche, kurzweilige Fortbildung mit immens vielen Eindrücken, auf deren Fortsetzung man sich freuen kann.


Hier noch einige Links zu weiterführenden Informationen:


Text und Fotos: A.Garten (Öffentlichkeitsarbeit)
Datum der letzten Änderung: 03.05.2010