Das Schicksal Eythras

 

  Rund 2000 Einwohner zählte der Ort Eythra, der 1985/86 der Kohle weichen musste. Die Menschen, die in dem Dorf wohnten, sahen die Notwendigkeit sogar ein, weswegen sie ihre Heimat verlassen mussten. Trotzdem war es für sehr viele nicht leicht, ihr Leben und all ihre zwischenmenschlichen Beziehungen aufzugeben. Jeder ehemalige Eythraer erinnert sich gern an das schön gelegene Eythra. Mit ihrer Hände Fleiß und ihrem Engagement gestalteten die Bürger Jahrzehnte ihren Heimatort, der sich damals im Südraum Leipzig nahe der Elster befand. Viele der Eythraer wurden in die Wohngebiete Leipzigs umgesiedelt, meistens nach Grünau. So auch ein Hausmeister, der seinen Beruf in Miltitz ausübt. Er, seine Frau und ihr Schwiegersohn konnten uns einiges über Eythra erzählen. Aber vor allem wollten wir wissen, was es für die Familie bedeutete, nach 33 Jahren plötzlich die Heimat verlassen zu müssen, weil der Ort der Kohle zum Opfer fiel. Von dem Schicksal Eythras erfuhr die Familie des Hausmeisters aus der Zeitung. Dort wurde ihr Dorf zum Kohleschutzgebiet erklärt. Erst wollten sie gar nicht glauben, dass ihre Heimat von der Landkarte verschwindet und sie sich woanders ein neues Leben aufbauen müssen. Doch für sie kam es nicht in Frage, gegen die Bestimmungen vorzugehen. Sie fanden sich gezwungenermassen damit ab, da es so beschlossen wurde und die Eythraer dies zu akzeptieren hatten. Was sie aber nicht akzeptieren wollten, waren die Abfindungen, die sie für ihre Grundstücke und Häuser bekamen, denn die waren in den Augen der Eythraer viel zu niedrig. Doch dagegen konnten sie nicht vorgehen, weil sie einen Vertrag unterzeichnen mussten, der den Verzicht auf zusätzliche Forderungen beinhaltete. Hätten die Bürger Eythras diesen jedoch nicht unterschrieben, wäre die Entschädigung für ihr Hab und Gut auf ein Sperrkonto überwiesen worden, dessen Geld sie erst für sich beanspruchen konnten, wenn sie nachgegeben hätten. Ausserdem erzählte die Familie des Miltitzer Hausmeisters, dass Kontakte zu anderen Eythraern grösstenteils abgebrochen sind. Obwohl man denken sollte, dass ein solches Schicksal die Bürger des Dorfes zusammenschweisst, finden nie Treffen statt. Es geschieht auch eher selten, dass sich ehemalige Bewohner von Eythra auf der Strasse begegnen und über ihre Heimat sprechen. Der Hausmeister fügte noch hinzu, dass er der Auffassung ist, dass viele ältere Menschen ihr Leben, das sie sich hier in den letzten 15 Jahren aufgebaut haben, jederzeit aufgeben würden, um wieder in ihr altes Dorf zu ziehen. Die meisten alten Eythraer, die ihr gesamtes Leben dort verbrachten, sind auch im Gegensatz zu den Jüngeren,
sehr unzufrieden mit dem Leben in Grünau.